„Die Kirche soll im Dorf bleiben“, mit diesen klaren Worten beantwortete der Dekan des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim, Pfarrer Olliver Zobel, die Fragestellung „Bleibt die Kirche noch im Dorf?“ mit der das Dekanat VertreterInnen von Kirche und Kommune zum Empfang in das Martin-Niemöller-Haus in Heidesheim eingeladen hatte. Viele Menschen aus der Region –– vom Landrat bis zum Binger Oberbürgermeister – waren der Einladung gefolgt. So kam es zu einem lebhaften Austausch – auch unter den kommunalen VertreterInnen.
„Die größte Veränderung seit dem Zweiten Weltkrieg“
Die Kooperation zwischen Kirche und Kommune zu intensivieren und so gemeinsam mehr möglich machen, dies war nicht nur der Grundgedanke des Abends, dies ist auch eine der essentiellen Grundlagen, auf die der Reformprozess der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, ekhn2030, basiert. „Was wir im Moment erleben, das sind wohl die größten Veränderungen, die unsere Kirche seit dem Zweiten Weltkrieg durchmacht“, stellte dann auch der Vorsitzende des Dekanatssynodalvorstandes, Hans-Peter Rosenkranz, in seiner Ansprache beim Empfang fest. Er erläuterte die Entwicklungen, die zu dem nötigen Reformprozess ekhn2030 geführt haben: gesamtgesellschaftliche Dynamiken, die bewirkten, dass Glaube und Kirche in ihrer Bedeutung im Alltag der Menschen immer weiter abnehmen. Dazu komme der erhebliche Fachkräftemangel bei Pfarrerinnen und Pfarrern. Dies und der Rückgang der Kirchenmitglieder, der auch demographische Ursachen habe, führten dazu, dass weniger Gemeindehäuser und Pfarrhäuser benötigt würden.
Dieser Prozess sei zwar bei manchen Kirchenmitgliedern mit Ängsten verbunden, aber gleichzeitig auch ein Aufbruch, „den wir gerade an vielen Stellen erleben“.
Ein Stand- und ein Spielbein für jede Pfarrperson
Für die kirchliche Praxis bedeutet dies, dass die Gemeinden im Dekanat zu fünf Nachbarschaftsräumen zusammengefasst werden, die jeweils von einem Team von Hauptamtlichen, bestehend aus PfarrerInnen, GemeindepädagogInnen und KirchenmusikerInnen, betreut werden. Diese Nachbarschaftsräume sind in Seelsorgebezirke aufgeteilt, in denen eine Pfarrperson für die Menschen vor Ort zuständig ist. Die Seelsorge ist das Standbein der Pfarrpersonen, daneben haben sie nun auch ein Spielbein, das heißt einen thematischen Arbeitsbereich im Nachbarschaftsraum wie z. B. die Senioren oder die Kitas. Dies ermöglicht eine stärker gabenorientierte Aufgabenverteilung.
Kirchliche Gebäude in die Kategorien A, B und C
Auch bei den kirchlichen Gebäuden werde es, so der Dekan, Veränderungen geben: Immerhin müsse man 20 % der Gebäude einsparen. Dazu wurden bereits in einem längeren Begutachtungsprozess die kirchlichen Gebäude in die Kategorien A, B und C eingeteilt. Die C-Gebäude bekommen ab dem 1.1.2027 von der Landeskirche keinerlei Zuweisungen mehr zum Unterhalt. D. h. nicht, dass sie sofort verkauft werden müssen, wohl aber, dass man sich nach einer wirtschaftlichen Nutzung umschauen muss. Die Dekanatssynode wird im Juni darüber entscheiden.
Sozial ausgerichtete Wohnbauprojekte und eine kirchliche Wohnbaugesellschaft
Nicht nur aus diesem Grunde warnte der Dekan vor übereilten Entscheidungen wie z. B. Gebäudeverkäufen, da auch die Synode manchmal für eine Überraschung gut sei. Ein Verkauf von C-Gebäuden sei selten die beste Lösung. „Diese Gebäude würden wir als Dekanat gerne – und da kommt jetzt die Kommune auch mit ins Spiel – weiterentwickeln, um etwas Positives für den Sozialraum zu bewirken. Außerdem hätten, so Dekan Olliver Zobel, alle Gebäude der Kirche eine Substanzerhaltungsrücklage, sodass man ein bisschen Geld habe, um Konzepte zu entwickeln. Langfristig strebt der Dekan eine kirchliche Wohnbaugenossenschaft nach norddeutschem Vorbild an, die die Nutzung der kirchlichen Gebäude umwandelt, beispielsweise in sozial ausgerichtete Wohnprojekte.
„Das Wichtigste bleiben die Menschen“
Nachdem die Besuchenden des Empfangs viel Organisatorisches erfahren hatten, gingen die stellvertretende Dekanin, Pfarrerin Vanessa Bührmann, und die stellvertretende DSV-Vorsitzende, Cornelia Büttner, in ihren Vorträgen darauf ein, wie das Dekanat derzeit im Sozialraum präsent ist. „Das Wichtigste“, so Vanessa Bührmann, „bleiben die Menschen. Ohne uns Menschen würde es die Kirche schließlich überhaupt nicht geben.“ Sie berichtete von der Kampagne des Dekanats „Mit Segen bewegen“: „Mit dieser Kampagne wollen wir Menschen in unserem Dekanat sichtbar machen, die gesegnet sind, mit dem, was sie können, die sagen ‚Wir bekommen den Segen und geben den Segen weiter‘. Mit der Segenskampagne wollen wir Kirche ein Gesicht geben.“
Die GüT als Erfolgsmodell des Dekanats
Die stellvertretende DSV-Vorsitzende, Cornelia Büttner, stellte mit der Gemeindeübergreifenden Trägerschaft für Kindertagesstätten (kurz: GüT) ein Erfolgsmodell des Dekanats für die gemeindliche Praxis vor. Die Trägerschaft nähme den Kirchengemeinden und insbesondere dem vorwiegend aus Ehrenamtlichen bestehenden Gremium des Kirchenvorstands viele Aufgaben und Verantwortlichkeiten ab, die von Ehrenamtlichen angesichts höherer Anforderungen im Bereich der Verwaltungsarbeit nicht mehr zu leisten sei. Die GüT schaffe mit ihrer Bündelung professioneller Kompetenz Freiräume für die Gemeinden. Zum Abschluss wies die stellvertretende DSV-Vorsitzende auf die Roll-up-Ausstellung zur neuen Kampagne von „Brot für die Welt“ hin, des Entwicklungswerks der evangelischen Kirchen in Deutschland, die 2026 unter dem Motto „Kraft zum Leben schöpfen – Gemeinsam für Wasser, Ernährungssicherung und Klimagerechtigkeit“ steht.
Der weitere Verlauf des Abends war, begleitet von der hörenswerten Musik des Duos „Lässig“ aus dem Rheingau, geprägt von einem regen Austausch der BesucherInnen des Dekanatsempfangs. An den adventlich geschmückten Stehtischen diskutierten VertreterInnen von Kommune, Kirchengemeinden und DSV-Mitgliedern noch lange über das, was sie an diesem Abend gehört hatten.